5. April 2020

Ausstellung „Kinder im Krieg“ im Stadtarchiv

Am 1. September 1939 begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Die brutale Besatzungspolitik der Nationalsozialisten bekamen auch die Kinder in Polen zu spüren. Der nationalsozialistische Terror auf der Straße, Massenexekutionen, Deportationen, die Existenz der Vernichtungslager in Städten oder am Rande dieser gehörten zum alltäglichen Erscheinungsbild. Die permanente Angst der Kinder, ihre Eltern oder andere enge Familienangehörige und Freunde zu verlieren, war ein ständiger Begleiter.

Kampf zwischen deutschen und polnischen Soldaten, also vermutlich nach dem Überfall auf Polen 1939.

Herkunft der Zeichnungen

1946 rief die Illustrierten „Przekrój“ zu einem Zeichenwettbewerb auf. Kinder bis zu 13 Jahren konnten u.a. Erlebnisse des Krieges als Motiv für ihre Zeichnungen wählen. Ziel des in Polen veranstalteten Wettbewerbs und die Auswertung der Zeichnungen durch polnische Psychologen war vermutlich die Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen aus der Okkupationszeit oder aber das Schaffen einer nationalen Erinnerungskultur bzw. polnischen Identität. Der Aufruf bekam sehr großen Zulauf. Über 7.000 Zeichnungen wurden eingesandt.

Die Kinderzeichnungen über die nationalsozialistische Besatzung Polens in den Jahren 1939 bis 1945 galten damals polnischen Psychologen und Historikern als wertvolle Quelle um die Verbrechen an den Kindern in Polen aufzuarbeiten. Die Untersuchung der Zeichnungen gab Psychologen und Pädagogen Aufschluss über den psychischen Zustand der Kinder und Jugendlichen. Gleichzeitig schufen die Zeichnungen erste Formen nationaler Erinnerungskultur, indem die Kinder aus ihrem Gedächtnis ähnliche Bilder zeichneten. Das Aufzeichnen von Erinnerungen und Gefühlen zählt bis heute zu den gängigen Methoden der Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen. Der Psychologe Stefan Szuman von der Jagiellonen-Universität in Krakau kam 1946 zu dem Ergebnis, dass die Kinder zwar in der Lage seien, ihre Kriegserlebnisse zu zeichnen, sie aber nicht darüber sprechen könnten. Angesichts dessen „…ist die Sammlung der Kinderzeichnungen stellvertretend für ihre Erinnerungen anzusehen. … Diese Zeichnungen sprechen davon, wie sehr ihre Umgebung und das ganze Land litten. Sie gestatten uns endlich festzustellen, welche tiefen Spuren und welches gefährliche Chaos die Kriegserfahrungen in den Seelen der Kinder ausgelöst haben.“

Deutsche schlagen polnische Kinder, weil sie auf der Straße spielen.

Neben der Tatsache, dass sie Zeugen von Verbrechen an der Menschlichkeit waren, hatten einige jeden Tag einen Existenzkampf ums Überleben geführt. Viele Kinder und Jugendliche waren während der sechs Kriegsjahre damit aufgewachsen, zu stehlen, zu betteln, sich zu prostituieren oder illegalen Handel zu treiben. Manche hatten auch im Untergrund gegen die Besatzer mitgekämpft. Sie hatten nichts anderes als die rohe Seite des Lebens kennen gelernt.

Auf den Bildern, die in der Ausstellung „Kinder im Krieg. Polen 1939-1945“ zu sehen sind, werden Szenen aus der Besatzungszeit beschrieben, die die Kinder teilweise selbst erlebt haben, teilweise aber auch aus Erzählungen oder Bildern aus ihrem Umfeld oder der Öffentlichkeit entliehen haben. Die meisten, der in der Ausstellung verwendeten Kinderzeichnungen, stammen aus dem Raum Lublin, das im Generalgovernement lag. Dort standen die Vernichtungslager Sobibor, Bełżec und Majdanek. Auch Zamość lag im Distrikt Lublin und sollte in der Aktion Zamość „polenfrei“ gemacht werden. Die Menschen, die im Distrikt Lublin während des Krieges lebten, waren Augenzeugen der gewaltsamen Aussiedlungen und Verschleppung der dortigen Bevölkerung. Die Existenz von Gaskammern und Krematorien ist ihnen nicht entgangen. Auch diese Motive werden auf den Zeichnungen dargestellt.

Die polnische Botschaft in Kopenhagen, die im Besitz einiger dieser Zeichnungen ist, stellte diese für die Realisierung der Ausstellung zur Verfügung. Die zitierten Erinnerungsberichte stammen aus dem Bestand des Museum für Polnische Geschichte, die ihre im Rahmen ihres Projektes „Familien, getrennt durch die Geschichte“ gesammelten Zeitzeugenberichte zur Verfügung gestellt hat sowie aus dem Archiv des Staatlichen Museums zu Majdanek in Lublin.

Mit „Akcja“ ist die Erschießung der Bevölkerung eines Dorfes gemeint und das Zerstören des Dorfes. Die Deutschen nannten diesen Vorgang euphemistisch „Befriedung“. Oft ist mit „Akcja“ auch die Ermordung der jüdischen Bevölkerung gemeint. Vor allem in Bilgoraj wüteten die deutschen Soldaten auf bestialische Weise.

Die Zeichnungen, die in der Ausstellung präsentiert werden, stammen von Kindern aus dem Raum Lublin, also aus dem so genannten Generalgouvernement. In Lublin installierten die Nazis das Konzentrations- und Vernichtsungslager Majdanek. In den umliegenden Dörfern wurde die jüdische Bevölkerung von den Nazis nach Kriegsbeginn bei einer „Befriedung“ an den Stadtrand geführt und exekutiert. Die systematische Vernichtung durch Gas begann nach der „Wannsee-Konferenz“ 1942.

Die Kinder konnten tatsächlich Zeugen dieser Verbrechen gewesen sein. Und gerade die Zeichnungen aus dem Raum Lublin geben einen erschreckenden Überblick über die nationalsozialistischen Verbrechen der deutschen Besatzer im Generalgouvernement. Es ist aber auch möglich, dass die Kinder Bilder zeichneten nach den Erzählungen Erwachsener. Gerade die Zeichnungen zum Warschauer Aufstand und zur starken Partisanenbewegung lassen vermuten, dass die Kinder nicht immer Zeuge eines Erlebnisses waren, sondern das zeichneten, was sich in das kollektive Gedächtnis wiederfinden sollte.

Inhalte und Vermittlungsziele der Ausstellung:

  • Herkunft der Zeichnungen
  • Überfall auf Polen
  • Kinder im Bombenhagel
  • Gewalt und Willkür an Kindern
  • Befriedungsaktionen
  • Massenexekutionen
  • Lebensraum im Osten
  • Zwangsarbeit
  • Majdanek
  • Judenvernichtung
  • Partisanen und Warschauer Aufstand
  • Befreiung und Nachkriegszeit
  • Folgen für die Kinder
Das Konzentrationslager Majdanek lag in der Stadt Lublin. Der Versuch, hier zu vertuschen, was vor sich ging, wurde nicht gemacht.

Dadurch, dass die die Zeichnungen von Kindern gemalt wurden, bekommen Jugendliche einen neuen Zugang zu dem Thema Nationalsozialismus. Ergänzt werden die Zeichnungen durch Lebensberichte Jugendlicher und Kinder, die ihre Kriegserlebnisse in schriftlicher Form erzählen. Der Krieg wird aus den Blickwinkeln der polnischen Kinder erzählt und dargestellt. Ausstellungstexte, die inhaltlich mit den Zeichnungen korrespondieren, erläutern die einzelnen Aspekte deutscher Besatzungspolitik sowie deren Folgen. Mittels der Ausstellung sowie entsprechendem pädagogischen Begleitmaterial, das wir in gedruckter Form anbieten werden, können sich Schüler/innen und Lehrer/innen intensiv mit der Geschichte Polens im Zweiten Weltkrieg beschäftigen sowie mit der nationalsozialistischen Okkupationspolitik.

Konzeption: Dr. Iris Helbing-Soudan

Gestaltung: Adam Heleniak

Erschießung von polnischen Männern durch deutsche Soldaten. Die Polen rufen vor ihrem Tod aus: Lang lebe Polen!

Die Ausstellung „Kinder im Krieg. Polen 1939-1945“ wurde als Wanderausstellung konzipiert und kann ausgeliehen werden. Sie umfasst 19 vierfarbige DIN A1 Plakate, die auf unempfindlicher PVC-Folie gedruckt sind. Mittels Posteraufhängung kann die Ausstellung problemlos an einem entsprechenden Schienensystem angebracht werden. Der Versand erfolgt in einer Versandrolle.

Für Führungen durch die Ausstellung und Arbeit mit Schulklassen stellen wir im begrenzten Rahmen ein Führungskonzept zur Verfügung sowie pädagogisches Begleitmaterial. Die Ausstellung kann zur Zeit im Stadtarchiv Meiningen besucht werden. Aufgrund der aktuellen Lage bitten wir um telefonische Anmeldung, da wir nur einen Besucher oder einen Haushalt in unsere Räume reinlassen können.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an das Stadtarchiv Meiningen, Schlossplatz 1, 98617 Meiningen, 03693-454597, helbing@stadtmeiningen.de